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16.05.2023

«Forschung zu betreiben ist Pflicht.»

Lucia Gonzáles arbeitet im Bereich «Forschung und Entwicklung». Mit ihrer internationalen Erfahrung als Ärztin und Forscherin wirkt sie in verschiedenen Projekten mit. Im Interview erzählt sie, warum Forschung für sie als Ärztin eine Pflicht ist.

Lucia Gonzáles ist Medizinerin und verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung im internationalen Gesundheits- und Entwicklungsbereich.

Lucia, warum hast du Medizin studiert? 

Das ist eine lustige Geschichte. Ich hatte nie daran gedacht, Medizinerin zu werden. Ich wollte grundlegende Wissenschaften wie z. B. Astrophysik studieren. Aber meine Mutter war Pflegefachfrau für Pädiatrie in einem Spital. Ein Oberarzt, der mit ihr zusammenarbeitete, gab den Auslöser für meinen Entscheid zum Medizinstudium: Er sagte zu mir: «Willst du die Welt sehen und in deinem Leben unabhängig sein? Dann studiere Medizin.» Ich habe in der Medizin meinen Traum gefunden. 

Warum hast du auch während deiner politischen bzw. projektorientierten Arbeit stets noch klinisch gearbeitet?

Ich hatte das Glück, dass ich während meiner gesamten Laufbahn immer auch Patient:innen direkt behandeln konnte. Gleichzeitig habe ich z. B. Ärzt:innen oder Pflegende weitergebildet oder Gesundheitsbehörden in ihren Strategien unterstützt. Klinisch zu arbeiten ist wie ein Lebensmotto für mich. Ich bin überzeugt, dass man eine bessere Ärztin, Forscherin, Entscheidungsträgerin oder Projektmanagerin ist, wenn man regelmässig Patient:innen sieht. In der Medizin geht es um Menschen, also muss man nahe bei ihnen sein. 

«In der Medizin geht es um Menschen, man muss ihnen nahe sein.»

Lucia Gonzáles, Forschung und Entwicklung.

Du hast in verschiedenen Ländern Afrikas und Asiens gelebt. Warum hast du dein Heimatland Spanien verlassen?

Ich wollte meinen Beruf aus einer globalen Perspektive erleben, denn ich mag Interkulturalität und die Unterschiede, wie ein Gesundheitssystem wahrgenommen wird. Ich habe immer in Teams mit mindestens zehn verschiedenen Nationalitäten gearbeitet und gehöre zur «Generation der globalen Gesundheit». Ich wurde auch Teil einer der grössten globalen Gesundheitsbewegungen, die es je gab: die Bekämpfung von HIV.

Welche Erfahrung im Ausland hat dich am meisten geprägt?

Einige Jahre lang war ich in Konfliktgebieten. Konflikte machen die globale Gesundheit noch komplexer. Die Durchführung von Gesundheitsprogrammen in Afghanistan oder in der Kivu-Region im Kongo, wo die Menschen seit Jahren unter Kämpfen leiden, ist eine ganz andere Erfahrung als hier bei uns. Das hat meinen Blick auf die Gesundheit verändert. 

Was ist deine Aufgabe bei SolidarMed?

Ich begann als Projektleiterin für ein Covid-19-Forschungsprojekt in Lesotho (MistraL). Heute hat SolidarMed eine breite Palette an Forschungsaktivitäten, welche jetzt direkt in die Projekte eingebettet sind. Momentan unterstütze ich bis Ende Juni einige Projekte von der technischen Seite her z. B. im Bereich nicht-übertragbare Krankheiten, Tuberkulose oder Jugendgesundheit.

Forschung verändert die gesamte Denkweise, indem man sich ständig fragt: «Ist das wirklich gut genug?»

Lucia Gonzáles, Forschung und Entwicklung.

Was ist deine Motivation, in der Forschung zu arbeiten?

Ich sehe es als eine Pflicht. Die Medizin hat sich im Laufe der Jahre so stark verändert. Sie nur aus der Perspektive als Ärztin zu sehen, die vor einem Patienten oder einer Patientin steht, reicht nicht mehr aus. Wir müssen heute nicht nur dafür sorgen, die Gesundheit eines Individuums zu verbessern, sondern darüber hinaus. Forschung verändert die gesamte Denkweise, indem man sich ständig fragt: «Ist das wirklich gut genug?».

Ist Forschung in der medizinischen Entwicklungszusammenarbeit besonders wichtig?

Ja, denn wir müssen die finanziellen Mittel auf die effektivste und wirksamste Weise einsetzen. Und wir müssen sicherstellen, dass wir keinen Schaden anrichten. Ab und zu setzt man etwas um, was sich im Nachhinein als schlecht entpuppt. Wir wollten z. B. die Übertragung von HIV von Müttern auf Säuglinge verhindern.

Die durchgeführte Grundlagenstudie in Lesotho liefert wichtige Erkenntnisse über die Häufigkeit gewisser nicht-übertragbaren Krankheiten.

Damals empfahl man Müttern das abrupte Abstillen nach 6 Monaten und dafür Milchersatznahrung zu gebrauchen. Später erfuhren wir, dass wir dadurch die Kindersterblichkeit erhöhten, weil die Frauen kein sauberes Wasser für die Zubereitung der Nahrung benutzten. Wir müssen sehr respektvoll und aufmerksam sein, wenn es um ethische Fragen und kulturelle Dynamiken geht und proaktiv lokale Forscher miteinbeziehen. 

Ist die Verbindung von SolidarMed zur Forschung einzigartig?

SolidarMed ist in vielen Bereichen sehr relevant. Die Forschung ist definitiv einer davon. Die Kombination von Gesundheitsprogrammen, medizinischer Versorgung und Generierung von Wissen ist in meinen Augen einzigartig und nicht viele Organisationen beschäftigen sich mit dieser Komplexität. 

Kannst du uns von einem aktuellen Forschungsresultat berichten? 

Für ein Projekt in Lesotho, das sich mit nicht-übertragbaren Krankheiten befasst, haben wir eine Grundlagenstudie durchgeführt, um Erkenntnisse über die Häufigkeit gewisser Krankheiten zu gewinnen. Ich finde es sehr interessant, dass die Quantität und Qualität der Versorgung von beispielsweise Patient:innen mit Diabetes besser ist, als erwartet und besser als in anderen afrikanischen Ländern mit ähnlichem Kontext. Das hat uns gezeigt, dass die Gesundheitsfachkräfte vor Ort bereits gute Arbeit leisten. Wir müssen uns überlegen, wie wir sie von diesem Level aus unterstützen können.  

Was kommt als nächstes?

Vielleicht wartet in der Zukunft eine Aufgabe in der Bekämpfung von Ebola auf mich. Gegen diese Krankheit wollte ich schon immer meinen Beitrag leisten.

Lucia González ist Allgemeinärztin. Noch bis Ende Juni ist sie technische Beraterin in der Programmabteilung von SolidarMed und promoviert derzeit an der Universität Basel. Ausserdem ist sie Gastdozentin an der Universidad Autónoma de Madrid und Assistenzprofessorin in der Abteilung für Globale und Immigrant:innengesundheit am Baylor College of Medicine, Houston. Sie verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung im internationalen Gesundheits- und Entwicklungsbereich. Neben Europa lebte und arbeitete sie in Ländern in Afrika südlich der Sahara, Lateinamerikas, Zentral- und Südostasiens. 

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