Fundament für die Gesundheit
Das Gesundheitssystem in Mosambik ist schwach, es fehlt schon an der Infrastruktur für medizinische Einrichtungen. SolidarMed unterstützt das System im Rahmen verschiedener Projekte. Rückschläge wie der Zyklon Chido zeigen, wie wichtig dieser Einsatz ist und wie engagiert das Team für die Gesundheit der Bevölkerung ist.
Als Pedro Pascoal vor fast fünf Jahren die Diagnose HIV erhielt, fühlte er sich, als würde seine Welt zusammenbrechen. Doch heute hat er sein Leben zurück – dank der Versorgung durch die Gesundheitseinrichtung in Chiúre. Dort holt er regelmässig seine Medikamente ab, die das Virus unterdrücken. Diese antiretrovirale Therapie wird durch Sprechstunden begleitet, die sicherstellen, dass Patient:innen gut betreut werden. SolidarMed hat die Sprechzimmer, in denen die Patient:innen beraten werden und ihre Medikamente erhalten, vor gut zwei Jahren saniert. Damit wurde sichergestellt, dass die Menschen, die für ihre Behandlung herkommen, vertrauensvoll und diskret mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin reden können, ohne Angst vor Vorurteilen, Abwertung oder gesellschaftlicher Ausgrenzung und Stigmatisierung haben zu müssen. Dies ist jetzt nicht mehr möglich.
Treibstoff, um Patient:innen zu transportieren
Kurz vor Weihnachten wurde die Projektregion von SolidarMed in Mosambik vom Zyklon Chido erfasst. Knapp eine halbe Million Menschen waren vom Wirbelsturm betroffen. Über 100 000 Häuser sind teilweise oder ganz zerstört, darunter 250 Schulen und 52 Gesundheitszentren. Als erste Massnahme hat SolidarMed Gesundheitseinrichtungen mit Treibstoff unterstützt, damit Patient:innen transportiert werden konnten.
Die Infrastruktur diverser Gesundheitseinrichtungen, in denen SolidarMed tätig ist, sind ebenfalls zum Teil schwer beschädigt. So auch die Behandlungsräume, in denen Pedro Pascoal normalerweise seine Therapie erhält. Der Sturm riss grosse Löcher in die Decken dieser Räume. Jetzt muss vor Ort improvisiert werden. Nach dem Beratungstermin müssen die Patient:innen einen anderen Raum in einem ganz anderen Teil des beschädigten Spitals aufsuchen, um die Medikamente zu erhalten. «Wer den Weg nicht findet und sich aus Angst vor Stigmatisierung nicht zu fragen traut, wo die HIV-Medikamente ausgeteilt werden, geht vielleicht ohne Medikamente nach Hause», befürchtet der 50-jährige vierfache Grossvater. Denn das Spitalpersonal ist total überlastet und fokussiert auf die Renovation statt auf kurzfristige Lösungen. Auch Cristóvão Momade hat seine Medikamente abgeholt. Wie Pedro Pascoal musste er die Anlaufstellen im lädierten Spital erst wieder finden. Doch der 31-Jährige hat es geschafft und ist froh, dass er die Medikamente und die Betreuung kostenlos im Gesundheitszentrum erhält.
Armut, Konflikte, Zyklone
Der Zugang zur Gesundheitsversorgung hängt nicht nur von finanziellen Möglichkeiten, geografischer Nähe oder qualifiziertem medizinischem Personal ab, sondern auch von einer funktionierenden Infrastruktur. Deshalb investiert SolidarMed gezielt in den Ausbau und die Ausstattung von Gesundheitseinrichtungen – auch in Mosambik. Seit 29 Jahren engagiert sich SolidarMed in dem ostafrikanischen Land, das zu den ärmsten der Welt gehört.
Das Projektgebiet liegt im Norden des Landes, wo nicht nur die Armut das Gesundheitssystem belastet, sondern auch die Tausenden zusätzlichen Menschen, die aufgrund der anhaltenden Konflikte dorthin geflohen sind. Zusätzlich werden die über 728 000 Menschen im Projektgebiet durch Cholera-Ausbrüche oder die isolierte Lage der Dörfer herausgefordert. Wenn dann noch ein Zyklon wie Chido Menschen tötet oder verletzt, Strassen und Wege unpassierbar macht, die Felder zerstört und Infrastruktur wie Häuser oder die Stromversorgung kaputt macht, dann sind diese Menschen auf dringende Unterstützung angewiesen.

Aus Angst vor Stigmatisierung trauen sich einige nicht, nach dem Weg zum Provisorium zu fragen.
Pedro Pascoal, Patient
Fast jedes Projekt, das SolidarMed im Norden Mosambiks initiiert, beinhaltet auch einen Infrastrukturanteil. Wenn in Spitälern die Abfallentsorgung und die Hygieneprozesse nicht optimal ablaufen, können sich Patient:innen und das medizinische Personal mit Krankheiten anstecken, die sich deshalb schnell verbreiten. Spitalhygiene ist also sehr wichtig. Deshalb unterstützt SolidarMed laufend die Renovation von Gesundheitseinrichtungen und stellt spezifische Infrastruktur wie Verbrennungsöfen zur Infektionskontrolle bereit. In sechs Einrichtungen in der Provinz Cabo Delgado konnte das Abfallmanagement verbessert werden. Doch auch hier hat der Zyklon Schäden angerichtet. Im Spital in Chiúre wurde etwa der Sterilisationsraum verwüstet, sodass notfallmässig in der Spitalküche sterilisiert werden muss. Da dies für die Patient:innen und das medizinische Fachpersonal kritisch ist, gehört die Instandstellung des Sterilisationsraumes zu den Prioritäten von SolidarMed im Nachgang des Zyklons.
Verschlechterte Wasserqualität
Dass Räume, in denen die Privatsphäre von Patient:innen gewahrt werden kann, wichtig sind, zeigt nicht nur das Beispiel der zwei Männer, die ihre HIV-Medikamente abholen. Auch Jugendliche benötigen Räumlichkeiten, in denen sie vertraulich von ihren persönlichen Themen erzählen können. SolidarMed hat solche jugendgerechten Bereiche eingerichtet, doch diese sind ebenfalls teilweise durch den Zyklon zerstört worden. «Die kaputten Dächer werden so rasch wie möglich repariert, damit die Jugendlichen wieder auf Diskretion zählen können, wenn sie sich hier beraten lassen», sagt Barbara Kruspan, Landesdirektorin von SolidarMed in Mosambik.
Die Zerstörung von Infrastruktur durch den Zyklon hat auch dazu geführt, dass die Wasserqualität schlechter geworden ist. Drei Viertel der Bevölkerung beziehen ihr Wasser aus offenen Brunnen, in denen Wasser leicht verunreinigt werden kann. Starker Regen führt zudem zum Überlaufen von Latrinen, was die unbefestigten Brunnen ebenfalls verschmutzt. Dies begünstigt die Verbreitung von Krankheiten wie beispielsweise Cholera, die durch dieses dreckige Wasser übertragen werden. Deshalb tritt die akute Durchfallerkrankung fast jedes Jahr auf. Die meisten Häuser der Menschen sind mit Bambus, Lehm und Gras gebaut. Diese Gebäude bieten keinen Schutz vor Moskitos, die namentlich Malaria übertragen. Nachdem im Projektgebiet so viele Gebäude dem Erdboden gleichgemacht wurden, ist zu befürchten, dass die Menschen verstärkt mit Cholera und Malaria konfrontiert werden. Und das vor dem Hintergrund, dass ungefähr 40 Prozent der Gesundheitseinrichtungen vom Wirbelsturm in Mitleidenschaft gezogen wurden, was die Behandlung der Patient:innen erschwert.

Auch SolidarMed-Mitarbeitende betroffen
Auch Mitarbeitende von SolidarMed verloren durch den Zyklon ihr Zuhause, und jemand musste sogar im Spital behandelt werden. «Wir haben für unsere Mitarbeitenden einen Fonds eingerichtet, der ihnen die Wiederherstellung ihres Daheims ermöglichen soll. Über die Verwendung des Geldes hat ein von den Mitarbeitenden gebildeter Ausschuss entschieden», erzählt Barbara Kruspan, Landesdirektorin von SolidarMed in Mosambik. Die Infrastruktur in den Büros von SolidarMed wurde ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen. Die Stromversorgung mittels Solaranlage soll so rasch wie möglich wiederhergestellt werden. Trotz der Verletzungen und der Schäden sei das Team aber sehr motiviert.
Bild: Das Haus von Agostinho Direito, der Bürowachmann von SolidarMed, wurde vom Zyklon komplett zerstört.
Auch bei Projekten, bei denen dies nicht auf den ersten Blick nötig scheint, spielt Infrastruktur und Ausstattung eine wichtige Rolle – zum Beispiel bei der Verbesserung der Mutter-Kind-Gesundheit. Schwangere, die bei der Geburt Komplikationen erleben, profitieren etwa vom kürzlich renovierten, funktionstüchtigen Operationssaal im Spital in Metoro. Die Region verzeichnet eine sehr hohe Müttersterblichkeit. Um diese zu senken, ist es entscheidend, die Frauen angemessen versorgen zu können. Doch wenn der Strom nicht zuverlässig funktioniert, ist diese Versorgung in Gefahr. «Die Stromversorgung in den Gesundheitseinrichtungen ist wichtig. Strom ist zur Kühlung von Medikamenten, Impfstoffen oder Blutreserven oder für das Funktionieren der Labore entscheidend», betont Barbara Kruspan.
Herausforderung: Gute Berufsleute für Wiederaufbau finden
Es ist klar: Ohne funktionierende Infrastruktur gibt es keine Gesundheitsversorgung. SolidarMed hat in den letzten zwanzig Jahren fünf Gesundheitszentren in den Distrikten Chiúre, Ancuabe und Namuno aufgebaut. «Die grössten Herausforderungen sind dabei nicht nur die Baukosten, die aufgrund der steigenden Preise vor Ort höher werden. Für den Bau müssen erst gute Ingenieur:innen und Architekt:innen gefunden werden und danach auch Wartung und Unterhalt gewährleistet werden können», erläutert Jochen Ehmer, ehemaliger SolidarMed-Länderdirektor in Mosambik und heutiger Leiter Medizin und Public Health.

Die Reparaturen werden möglichst rasch erledigt, damit die Jugendlichen wieder auf Diskretion zählen können, wenn sie sich hier beraten lassen.
Barbara Kruspan, Länderdirektorin Mosambik
Wie geht es weiter in Mosambik? «Die Gesundheitsbehörden analysieren die Schäden und die daraus folgenden Bedürfnisse. Wir schauen uns dann die Liste mit den zu erledigenden Aufgaben der Infrastrukturabteilung der Gesundheitsbehörden an», erklärt Barbara Kruspan. Die Gesundheitsbehörden seien sehr daran interessiert, «besser wiederaufzubauen», ein Slogan, der tatsächlich ernst genommen werden muss. «Das bedeutet, dass sie möglicherweise möchten, dass die Dachkonstruktion neuen zyklonsicheren Plänen entspricht», sagt die Länderdirektorin.
Gefahr, dass Behandlungen abgebrochen werden
In Mosambik leben etwa 1,5 Millionen Menschen mit HIV. Pedro Pascoal und Cristóvão Momade gehören auch dazu. Wie wichtig es für sie ist, ihre Medikamente in einem geschützten Rahmen zu bekommen, ihre Patientendokumente sicher aufbewahrt zu wissen und sich nicht unnötig exponieren zu müssen, bringt Pedro Pascoal auf den Punkt: «Seit dem Sturm können wir an diesem Ort nicht offen über unsere Gefühle und unsere Gesundheit reden, weil sich andere Patient:innen im Raum aufhalten.» Das könne dazu führen, dass Probleme nicht angesprochen und Behandlungen abgebrochen werden – und somit die Gesundheit der Menschen leidet. SolidarMed setzt deshalb alles daran, dass die Infrastruktur schnell wieder instandgesetzt wird.

Wie sieht es aktuell in Mosambik aus?
Nach dem verheerenden Wirbelsturm Chido steht SolidarMed den Betroffenen – in enger Zusammenarbeit mit den Gesundheitsbehörden – zur Seite, um die funktionierende Gesundheitsversorgung wiederherzustellen. Erfahren Sie, wie SolidarMed die Menschen unterstützt und welche Schritte jetzt notwendig sind.